Foto: Falko Behr
Ich suche in meinen Zeichnungen nach Situationen größt möglicher Reduktion, in denen sich zeigt, wie komplex das scheinbar Einfachste sein kann. In der Reihung von Ähnlichem zeigt sich in einigen Bildserien der Variantenreichtum des einzelnen Pinselstrichs, in anderen legen sich die Liniensysteme zu feinen Strukturen übereinander. Die so entstehenden Bilder changieren zwischen der Ruhe präziser Wiederholung und der Bewegung minimaler Unregelmäßigkeiten.
Der Ausstellungstitel HANDZÜGE ist von der britischen Tradition des change ringing inspiriert. Dabei werden nacheinander und überschneidend mehrere Kirchenglocken nach bestimmten Systemen geläutet. Spieler*innen beschreiben es als etwas zwischen Sport, Mathematik und Musik. Der handstroke (Handzug) ist eine Bewegung während des Läutens.
Als ich zufällig auf eine Radiosendung darüber stieß, war ich erstaunt über Analogien zu meinem Zeichenprozessen: Der Lust an Systemen, deren Logik folgend systematische Variationen entwickelt werden. In der Sendung wurde von Spieler*innen beschrieben, wie das jeweilige System in eine Art Körperwissen übergegangen sein muss, um die komplizierten Folgen gemeinsam spielen zu können. Das Zusammenspiel zwischen rational entwickelter und erfasster Logik, deren Verinnerlichung und dem daraus entstehenden intuitiven Umgang ist wichtiger Teil meines künstlerischen Arbeitens.
Begleittext zur gleichnamigen Ausstellung in der Kunsthalle Erfurt (Juni 2020)
www.erfurter-kunstverein.de
© 2021 Luise von Rohden, VG Bild-Kunst